Der Schüßler-Spezialist

Nr. 5 - Ausführliche Formulierung der Charakterlandschaft

 

1          Zusammenhänge zwischen Nr. 5 Kalium phosphoricum und bestimmten charakterlichen Strukturen

Wenn Kalium chloratum für die Qualität der Auseinandersetzung mit der Welt und dem eigenen Leben zuständig ist, so gilt das bei Kalium phosphoricum für die Intensität, für die Stärke dieser Auseinandersetzung.

 

1.1        Einsatz

Vor, während und nach starken Belastungen sollte Nr. 5 Kalium phosphoricum eingenommen werden.

Das Kalium phosphoricum steht also grundsätzlich für den Einsatz des Menschen in dieser Welt zur Verfügung. Gemeint ist dabei vor allem auch der innere Einsatz, die innere Beteiligung an den Aktivitäten. Die Forderungen, die der einzelne dabei an sich richtet, verbrauchen also je nach ihrer Intensität Kalium phosphoricum. Verlangt der Mensch zu viel von sich, entsteht ein Mangel, der sich in einer grauen Gesichtsfarbe um das Kinn zeigt, sich aber auch über das ganze Gesicht ausbreiten kann. Ein grauer silbriger Hauch, der leicht über der Haut liegt. Wir kennen ja den Ausspruch, dass jemand grau im Gesicht ist.

Aus der Praxis: Das Abhalten von Seminaren ist, wenn sich der Leiter von der inneren Beteiligung her entsprechend einsetzt, ziemlich anstrengend. So geschieht es immer wieder, dass die Frau eines Seminarleiters, die sich mit der Biochemie Dr. Schüßlers beschäftigt, ihren heimkehrenden Mann mit folgenden Worten begrüßt: „Du siehst ja richtig grau aus im Gesicht! War’s wieder ziemlich anstrengend? Jetzt musst du dich aber von der Anstrengung wieder erholen, und die  Mineralstoffe nach Dr. Schüßler richte ich dir auch.“ (Meistens ist die graue Gesichtsfarbe auch mit einem üblen Mundgeruch verbunden, was sie aber nicht immer ausspricht.) Dank der guten Versorgung durch seine Gattin erholt sich der Mann dann sehr schnell wieder, was bei seiner vielseitigen Beschäftigung auch dringend notwendig ist. Es ist ja leider häufig der Fall, dass die, die sich um andere kümmern, auf sich am wenigsten schauen. Deshalb ist es gut, wenn sie einen Schutzengel in Menschengestalt an ihrer Seite haben.

 

1.2        Die Zähne zusammenbeißen

Durchbeißen durchs Leben ist nicht „verbissen“!

Der Energieverbrauch für die Unterdrückung des eigenen und damit eigentlichen Lebens ist sehr hoch.

Für viele, vor allem sensible Menschen ist die Härte und Kälte der Welt, in der sie leben müssen, ein großes Problem. Sie hören schon von Kindheit an den Satz: „Du musst eben die Zähne zusammenbeißen!“ Als Folge davon hört man dann die Kinder in der Nacht mit den Zähnen knirschen, weil sie mit aller ihnen möglichen Anstrengung den Befehlen folgen.

Als Folge des Zusammenbeißens der Zähne entsteht dann bei Kindern und Erwachsenen ein chronisches Zahnfleischbluten. Es kann schon sein, dass dann jemand „auf dem Zahnfleisch daherkommt!“ wie umgangssprachlich oft  formuliert wird. Wenn als Hilfe für dieses Leiden dann Kalium phosphoricum gegeben wird, so kann das nur eine vorübergehende Intervention sein. Auf Dauer muss das dahinterliegende Problem gesehen und bearbeitet werden.

 

1.3        Beschwerden mit dem Charakter einer Depression

Immer wieder wird im Zusammenhang mit einem Mangel an Kalium phosphoricum das Aufkommen von Beschwerden beschrieben, die den Charakter einer Depression haben. Das Wort Depression kommt vom lateinischen Wort deprimo (3. pressi, pressus) [1], was so viel wie: niederdrücken, herabdrücken, versenken, tief hineingraben, einsenken und unterdrücken heißt.

Um auf die angeführte Thematik eingehen zu können, ist es notwendig, einige grundlegende Begriffe festzulegen und abzugrenzen: Unter Selbst[2] ist unter anderem die Summe der Strukturen, Gewohnheiten, Fähigkeiten, Erfahrungen, von Denk- und Handlungsmodellen zu verstehen. Dies alles begründet das Selbstverständnis. Von da aus wird die Selbstverwirklichung, Selbstbehauptung, der Selbstentwurf gesteuert. Dieses Selbst ist in der Kindheit, und da vor allem in der frühen Kindheit, durch die Rückkopplung, die Bestätigung von anderen entstanden[3], wodurch sich das Selbst immer wieder die Bestätigung von außen sucht, nämlich die Selbstbestätigung. So sucht und erfährt das Selbst die Bestätigung von außen, was aber eigentlich nicht als Wertzuschreibung verstanden werden kann, obwohl immer vom Selbstwert die Rede ist.

So sind viele Menschen ununterbrochen auf der Suche nach Menschen, die ihnen bestätigen, wie gut sie sind, wie gut sie ausschauen oder welch tolle Leistungen sie vollbringen. Die ihnen auch sagen müssen, wie großartig ihr Besitz ist. Umgangssprachlich wird formuliert: „Sie wollen sich durch den anderen aufpolieren.“ Wenn es aber nur um die Politur geht, bleibt im Inneren des Menschen etwas auf der Strecke.

 

1.4        Der Wert des eigenen Lebens

Die Person, der Eigenwert kommt bei einer übertriebenen Betonung des Selbstwertes nicht zum Leben. Der Eigenwert ist jener Wert, den der Mensch von allem Anfang an darstellt. Den kann er sich weder verdienen, noch vermehren oder vermindern. Ganz nach einem fundamentalen Satz aus der Existenzanalyse Viktor Frankls: „Ich bin, und dass ich bin, ist gut!“

Allerdings ist der Zugang zum Spüren dieses Wertes oft verschüttet. Es ist dem Menschen nicht möglich, dass er sich als Wert erlebt und spürt. Der Wert ist dem Menschen umso mehr entzogen, je mehr dieser an die Bestätigung von außen glaubt. Ja, letztlich ist es ein Teufelskreis. Je mehr der einzelne an den Wert glaubt, den er von anderen zugeschrieben bekommt, umso weniger kann er den Wert wahrnehmen, der er ist.[4] Je weniger er aber an diesen inneren Wert glauben kann, umso mehr wird er sich seinen Wert, in Wirklichkeit seine Bestätigung, von „außen“ holen wollen. Damit schließt sich der fatale Kreis, im wahrsten Sinne ein Teufelskreis, in dem der Mensch dann gefangen ist.

 

1.5        Über-Ich

Zuschreibungen: Wenn Menschen unter der Zuschreibung „Du bist ein Genie, du kannst alles“ zugrunde gehen!

Die übernommenen Denkmodelle, Ideale, Lebenspläne üben oft großen Druck aus. Der Einzelne hat nicht den Mut, diese nach innen genommenen und damit sich selbst auferlegten Forderungen in Frage zu stellen, sondern er nimmt sie weiterhin auf sich und wird ihr Sklave. Dadurch neigt er dazu, sich zu überfordern, was das eigene, das eigentliche Leben, niederdrückt (Depression). Die Überforderungen sind tief eingegraben, in die „Tiefe seiner Seele“ eingesenkt.

Häufig folgt daraus, dass diese Menschen zwanghaft nicht nur zuviel von sich selbst verlangen, sondern auch noch gleichzeitig, in einem Atemzug, verschiedene Forderungen nebeneinander aufstellen und gleichzeitig erfüllen wollen, was gar nicht möglich ist.[5] So kann immer wieder beobachtet werden, dass Menschen als Erwachsene immer noch versuchen, dass es ihnen durch ihr Wohlverhalten, oder das Erfüllen von Erwartungen ihrer Mutter, ihres Vaters, ihrer Angehörigen oder wessen auch immer, gut gehen möge. Als Kind hat derjenige vielleicht zu oft gehört, dass er dafür zuständig wäre, wie es der Bezugsperson gehe.

 

1.6        Überforderung

Das Kind hatte immer wieder Formulierungen gehört, wie: „Das ist aber schön, dass du keine Windel mehr brauchst! Es ist die größte Freude für mich.“ - „Wenn du alles brav aufisst, freue ich mich.“ - „Wenn du artig bist, geht es mir gut.“ - „Siehst du nicht, wie sich dein Vater freut, wenn du gute Noten hast?“ - „Das macht mir das Leben leicht, wenn du Erfolg hast.“ - „Was sind wir für eine glückliche Familie, wenn du tust, was wir von dir verlangen!“ - „Wenn du folgst, geht es deiner Mutter gut!“

Daraus wird dann eine allgemeine Regel für das ganze Leben heraus“destilliert“, dass man durch eigenes Verhalten das Befinden eines anderen Menschen bestimmen könne. Das ist allerdings ein „Aberglaube“, wie sich nach vielen, vielleicht allzu vielen, belastenden Erlebnissen im Laufe des Lebens dann herausstellen wird.

Der begnadete Karikaturist Peter Gaymann hat diesen Tatbestand auf seine Art dargestellt: „Warum kann man nicht auch einmal unter der Latte durchspringen, weil man ja sowieso schon so hoch springt!“

Es kann immer wieder beobachtet werden, dass depressive Verstimmungen oder eine Depression aus Forderungen resultiert, die gar nicht erfüllt werden können. Zum Beispiel auch durch Anforderungen, die durch die Verwirklichungsabsicht von Idealen entstehen. Ideale können und lassen sich nicht verwirklichen, da sie Abstraktionen von Vorstellungen, wie das Leben sein sollte, sind. Es sind Verabsolutierungen, die mit dem Leben nichts mehr zu tun haben, sondern einzig und allein auf gedanklichen Konstruktionen beruhen. Zu diesen Bereichen zählen der Hang: zur Perfektion, zu einer sterilen Sauberkeit in den Wohnräumen, zur Reinheit der Seele von Verunreinigungen, zur absoluten Harmonie mit den Mitmenschen, zur Erfüllung aller Erwartungen aus der Umgebung, ...

Wird der Mensch diesen Forderungen an sich selbst nicht gerecht, entstehen Erlebnisse des Scheiterns mit entsprechenden Gefühlsinhalten (siehe Kalium chloratum). Um aber diesen, das Selbst entwertenden Gefühlen nicht begegnen zu müssen, werden enorme Anstrengungen unternommen, zu entsprechen. Dadurch werden viele Kalium phosphoricum Moleküle verbraucht, unter Umständen der Vorrat ausgeschöpft und sogar Substanz abgebaut.

 

1.7        Leistung

Hat die Person den Mut, das Selbst in Frage zu stellen, zu relativieren, werden „die Götzen vom Thron gestürzt“.

Ein Beispiel zum Thema: die Leistung

Viele Menschen in unserem Kulturkreis verstehen sich von der Leistung[6] her und leiten davon ihren Wert (Selbstwert) ab. Aus dieser Sicht ist es verständlich, wenn einmal eine alte Bäuerin formuliert hat: „Seit ich nichts mehr leisten kann, bin ich nichts mehr wert.“ Wer unter einem solchen Druck leben muss, ist wirklich arm dran. Er hat nicht den Mut, jenen Druck zu lockern, der aus dem Selbstverständnis kommt, dass man nur etwas wert ist, wenn man etwas leistet. Der Mensch leistet dann, damit er etwas wert ist. Er kann letztlich an seiner Leistung keine Freude haben.

Wer den Leistungsanspruch relativieren kann, wird sich jenem Ausmaß an Leistung stellen, welches angemessen erscheint. Er wird sich aber auch für die Erholung entscheiden können, wenn sie dran ist! Dann wird er nicht mehr ununterbrochen in seinem Leben von seinen an ihn selbst gerichteten zwanghaften Leistungsansprüchen bestimmt, sondern er entscheidet sich für die Leistung, die ihm möglich ist.

Von der Zwanghaftigkeit weg führt der Weg zur Lockerung. Kann sich die Person von den Zwanghaftigkeiten lösen, wird der Weg frei, von der Überforderung der eigenen Lebensmöglichkeiten wegzukommen. Es entsteht eine realistische Sicht für das eigene Leistungsvermögen. Die dem Leben angemessenen Möglichkeiten der Verwirklichung des Eigenen rücken in das Zentrum der Handlungsweise.

Durch das Auflösen von zwanghaftem Gebunden-Sein (zwanghafter Verkettung) an bestimmte Verhaltensweisen lassen auch alle überfordernden und belastenden Gedanken nach, die keine Ruhe geben. Es entstehen immer öfter Bilder, die das Leben aufbauen und es nicht überfordern. Eine lebensförderliche Einstellung zum Leben baut sich auf, die immer mehr ermutigt, das eigene Leben in die Hand zu nehmen und sich keine Forderungen mehr von außen, aber auch nicht mehr vom Über-Ich oder eben dem Eltern-Ich diktieren zu lassen. Aus der brutalen Überforderung und der damit verbundenen Entmutigung entstandenen Verkürzung des Lebens kann man sich herausbewegen in die Richtung eines behutsamen und achtsamen Umganges mit sich selbst und den vorgefundenen Möglichkeiten.

Wie man mit sich umgeht, nur so kann man auch mit anderen umgehen.

 

1.8         Haben Gedanken tatsächlich Macht? – Welche Kraft haben Gedanken wirklich?

Die reine Welt der Gedanken, wie in der Mathematik, ist vom Leben selbst getrennt. In Beziehung zu den mathematischen Formeln, Strukturen und Modellen gibt es keine Gefühle (außer jene ablehnenden, welche zum Ausdruck bringen, wie sich der Mensch gegen Abstrahierungen wehrt). Gedanken selbst, auch solche über Philosophie, Psychologie, über das Leben oder Gott, haben selbst keine Energie. Sie sind die verstandesmäßige Darstellung des Lebens aus dem reinen Intellekt.

Gegenüber der freien Abbildung des Lebens in Form von Gedanken, dem freien Fluss der Gedanken, wurden jedoch viele Barrieren aufgebaut. Der Mensch erlebt bei manchen Gedanken, dass sie verboten sind, bei anderen, dass sie unanständig sind, oder wieder bei anderen, dass sich etwas rächen könnte. Doch das alles sind künstliche, von Menschen konstruierte Deutungen und Verknüpfungen.

Gelingt es dem Menschen nicht, seinen Gedanken freien Lauf zu gewähren, kann er letztlich nie feststellen, wer er wirklich ist. Ein Beispiel möge das erläutern: Jemand hat angesichts des Wohlstandes eines anderen Menschen neidische Gedanken. Es sind hier erst einmal nur die Gedanken gemeint und nicht das Gefühl. Er erschrickt angesichts solcher Gedanken und schiebt sie sofort weg. Damit kann er aber auch schon nicht mehr feststellen, woher diese seine eigenen Gedanken gekommen sind, welche Botschaft sie für ihn haben, worunter er leidet.

Der Boden, auf dem die Gedanken wachsen, ist der Charakter. Sie sind davon abhängig, wie er gestaltet ist, welche Strukturen in ihm vorherrschen.

So wird ein Mensch, in den durch die Umgebung viele Bilder gepflanzt wurden, dass er tiefes Vertrauen ins Leben haben dürfe, dass in ihm viele Fähigkeiten stecken und dass er den Problemen des Lebens gewachsen ist, von optimistischen, dem Leben zugewandten Gedanken erfüllt sein.

Es ist beim freien Fluss der Gedanken wie beim freien Fluss der Gefühle. Die Gedanken fließen zu lassen, heißt noch lange nicht, sie auch zu leben. Erst wenn jemand auf alle Gedanken hinschauen kann, welche ihn erfüllen, kann er auf sein ganzes Leben schauen, wie es auch bei den Gefühlen der Fall ist.

Die Gedanken selbst haben für sich keine Energie, wohl aber benötigen sie zu ihrer Anwesenheit in unserer Welt Energie. In Verbindung mit Bildern wecken die Gedanken auch Gefühle. Die Grenze ist sehr schwer zu ziehen.

Damit Gedanken sich in dieser Welt verwirklichen, manifestieren können, brauchen sie entsprechende Energien. Sie können diese aus einem freien Fluss der Energie beziehen, dem der Mensch zustimmt, oder aus zwanghaften Verklebungen an Strukturen, aus Situationen, in denen dem Menschen von der Gefühlsebene her keine Wahlmöglichkeit offen steht. Ein Beispiel ist die Zeit der Verliebtheit, in der der Mensch zu Handlungen bereit ist, welche er sonst nie durchführen würde.

  • Die meisten zwanghaften Handlungen entstammen dem weit verbreiteten und tief eingefressenen Gefühl der Angst,  was sich in den vielen Absicherungs- und Versicherungsabsichten zeigt. In diesem Zustand sollte immer wieder eine gewisse Skepsis den eigenen Gedanken, dem Wollen und den Handlungen gegenüber bestehen. Das wird auch durch ein Sprichwort bestätigt, das sagt: „Du sollst weder in der Zeit eines Tiefs aber auch nicht während eines Hochs Entscheidungen treffen. Warte ab, bis sich die Wellenberge und Wellentäler wieder geglättet haben. Wenn die Sicht auf das Leben nicht durch besondere gefühlsmäßige Ereignisse verstellt ist, sind die Entscheidungen am besten.“
  • Der zweite Bereich, aus dem die Gedanken ihre Verwirklichungsenergie beziehen können, ist der Charakter. In ihm sind die Gedanken, die dann die Bereiche des Wünschens, der Phantasie, der Vision oder gar des Traumes durchlaufen, bis sie durch die Person mit dem Willen verknüpft werden. Dann ist die Möglichkeit der Umsetzung gegeben. Das Wollen ist mit dem Können verbunden. Alles, was jemand nicht umsetzen kann, muss er in die Welt der Wünsche verschieben. Es ist immer gut, wenn diese Bereiche auseinandergehalten werden.
  • Es heißt in den Gesprächen sehr oft, dass negative Gedanken wieder auf den Menschen zurückfallen. Das heißt, er hat aufgrund seiner Gedanken einem Menschen Böses gewollt. Es ist gar nicht ausgeschlossen, dass er mit diesem Wollen sogar für einen anderen Unheil anrichten kann. Aber das, was auf einen solchen Menschen kommt, ist nicht ein Vorgang, dass dabei etwas zurückschlägt, sondern er ist ja schon in einem „miesen“ charakterlichen Zustand, der entsprechende Rückwirkungen auf sein eigenes Leben hat. In diesen Bereich gehören die Verfluchungen und Beschwörungen, welche aber von gut gesinnten Menschen abgelehnt werden. Sie missachten in höchstem Grade die Freiheit des einzelnen und zeigen wie schlecht derjenige mit seinem eigenen Leben zurechtkommt.
  • Eine wunderbare Verknüpfung von Gedanken und Wollen ist das Gebet. Allerdings wird in diesem Falle von den Gläubigen oft noch zwischen die Gedanken und das Gewollte die Entscheidung einer religiösen Person, eines schützenden Wesens, eines verehrten Heiligen, oder gar Gottes, geschaltet, damit nicht zu eigen“süchtige“ Wünsche sich erfüllen, sondern sich wirklich nur das ereignet, was dem Leben dient.

Wer im freien Fluss der Gedanken seine eigene Welt entdecken kann, und in freier Entscheidung die ausgewählten mit seinem Willen verknüpft, kann in voller Verantwortung handeln. Für ihn ist es nicht notwendig, Gedanken verdrängen zu müssen, sie wegzuschieben in einen Bereich, den er bei sich nicht wahrhaben will.

Je freier der Zugang eines Menschen zu sich selbst ist, zu seinen Gedanken und seinen Gefühlen, umso freier ist auch der Zugang zu den anderen Menschen, umso freier ist er grundsätzlich anderen gegenüber. Er wird ein verständnisvoller, einfühlsamer Gesprächspartner sein, der vor „nichts“ die Augen verschließt und auf „alles“ eingeht.

Beides steht deshalb unter Anführungszeichen, weil es nicht um die Vollkommenheit geht und immer etwas bleibt, woran noch zu arbeiten ist. Die Idealisierung würde nur wieder Druck und Zwang erzeugen, was nicht gut ist. Also bleiben wir beim menschenmöglichen Maß, was vor allem die Barmherzigkeit einschließt.

 

1.9        Bedenkenswerte Texte

Im Zusammenhang mit dem Über-Ich, das vom Kopf her agiert: Der Knüppel im Rücken bzw. im Nacken wird im Englischen folgendermaßen formuliert: „you are pain in the neck“

Eugen Roth: Ein Mensch

Ein Mensch und der ist stolz darauf,

der geht in seinen Pflichten auf

doch bald darauf

nicht mehr so munter

geht er in seinen Pflichten unter.

Gebet eines Managers

Du weißt

Ich bin sehr erfolgreich

Ich verdiene gut

Und in zwei Jahren

Habe ich meinen nächsten Karrieresprung

Dann verdiene ich noch viel mehr

Kann mir noch schönere Urlaube leisten

Ich hab ja ein schönes Haus

Mit swimming pool und allen Raffinessen

Eine gute Frau

Und zwei brave Kinder

Die brav lernen

Und komm

Du

Mir bitte ja

Nicht dazwischen.

 

Affirmation

Die befreiende Einstellung zu diesem Mineralstoff heißt: „Ich muss nicht mehr von mir verlangen, als ich zu leisten im Stande bin!“

Bin ich ein guter Anwalt meines Lebens?


 

[1] Der kleine Stowasser, Lateinisch-Deutsches Schulwörterbuch

[2] Viktor Frankl, der Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse, betrachtete den Charakter bzw. das Selbst als etwas Gewordenes. Diesem Charakter tritt der Mensch als Person gegenüber und setzt sich mit ihm auseinander. Demnach ist nicht entscheidend, womit der Mensch in seinem Inneren, bei sich, konfrontiert wird, was er aufgrund seiner „Erziehung“ bei sich vorfindet, sondern was er daraus macht. Nicht der Mensch mit einem verfestigten, vielleicht starren Charakter ist eine Persönlichkeit. Diese wird in der Auseinandersetzung mit dem Vorgefundenen. „Der Mensch hat Charakter, ist Person und wird Persönlichkeit!“ (Viktor Frankl)

[3] Ein bewegendes Buch zu diesem Thema: Miller, Alice: Am Anfang war Erziehung, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1983, Taschenbuch 951

Weiters: Funke, Dieter: Im Glauben erwachsen werden - Psychische Voraussetzungen der religiösen Reifung,  München: Verlag J. Pfeiffer, 1986, 2. Auflage 1990

[4] In der üblichen Formulierung müsste es heißen: „Den er hat.“ In der Welt der Beziehung, in der die Subjekt-Objekt Spaltung aufgehoben ist, wird dem Kind der Wert nicht als Eigenschaft zugeschrieben, sondern es stellt den Wert dar. Das Kind ist Ausdruck des Wertes Leben und spricht unmittelbar an.

[5] In manchen im Text enthaltenen Formulierungen werden Übertreibungen sichtbar. Sie verfolgen aber ausschließlich den Zweck, dass durch die Überzeichnung die Thematik besonders deutlich hervortritt.

[6] Wie aus den Forschungen auf dem Gebiet der Psychotherapie bekannt ist, wird das Phänomen der Depression ausschließlich in Ländern beobachtet, in denen dem „Götzen“ Leistung „geopfert“ wird. Gemeint ist damit die Unterwerfung des Lebenssinnes fast ausschließlich einem einzigen Inhalt, nämlich der Leistung. In Folge geraten andere, lebensnotwendige Bereiche wie Partner, Familie, Kinder, Freunde, Erholung, Urlaub, Hobby usw. aus dem Gesichtskreis, werden vernachlässigt oder überhaupt nicht mehr gelebt. Das hat nicht nur den Verlust der Freude am Leben zur Folge, sondern vielfach ein Sucht- bzw. Betäubungsverhalten.