Der Schüßler-Spezialist

Nr. 1 - Ausführliche Formulierung der Charakterlandschaft

 

1          Zusammenhänge zwischen Nr. 1 Calcium fluoratum und bestimmten charakterlichen Strukturen

Calcium fluoratum ist der Mineralstoff, der mit dem Schutz des Lebens in Verbindung steht. Außerdem besteht eine innige Beziehung zur Flexibilität im Leben. Dies ist deshalb gut zu verstehen, weil er auf der körperlichen Ebene für die Elastizität der entsprechenden Gewebe zuständig ist.

 

1.1        Der eigene Standpunkt

Bis Menschen sich im Leben zurechtfinden, bedarf es großer Mühe und Geduld. Glauben sie dann ihren Standpunkt - ihren Stand im Leben - gefunden zu haben, wenden sie viel Energie auf, ihn zu verteidigen, oft sogar, wo er gar nicht in Frage gestellt wird.

Es kommt zu einer verhärteten Einstellung, obwohl Flexibilität gefragt wäre!

Je mühevoller der eigene Standpunkt errungen, erkämpft, errauft wurde, umso empfindlicher wird darauf reagiert, wenn er in Frage gestellt wird. Auf dem Weg zum eigenen Standpunkt war es notwendig, Verletzungen in Form von spöttischen Bemerkungen, Hänseleien, oder anderen Formen der Verunsicherung einzustecken. Das kann dazu führen, dass sich jemand schon in Frage gestellt fühlt, wo das gar nicht der Fall war. Die Erwartungshaltung des Betroffenen hat ihn eine Situation erkennen lassen (sie war ihm aus der Erinnerung aufgestiegen), die nicht mit der Realität in Zusammenhang gestanden war.

Die Bereitschaft zu diesem Vorgang ist bei Menschen, die sich mühevoll ihren Stand im Leben erworben haben, besonders groß. Dementsprechend groß ist auch die Empfindsamkeit (Empfindlichkeit) jenen Menschen gegenüber, die sich aus der Verunsicherung des anderen einen regelrechten Sport machen. Tatsächlich wollen ja diese dabei nur ihre eigene Unsicherheit verstecken. Allerdings reagieren belastete Menschen auf die entsprechenden Bemerkungen deshalb so heftig, da sie sich in ihrer ganzen Person in Frage gestellt fühlen. Sie identifizieren sich mit ihrem Standpunkt.

Der Heftigkeit steht die Umgebung fassungslos gegenüber, was bewirkt, dass die Betroffenen sich noch mehr auf ihren Standpunkt versteifen, darauf beharren, bis hinein in die Verhärtung, die die ganze Person erfasst.

Auf der körperlichen Ebene werden entsprechend viele Calcium fluoratum Moleküle verbraucht. Wird nach einer gewissen Resignation der eigene Standpunkt aber aufgegeben, kann sich das auf der körperlichen Ebene in Form einer Hypermobilität zeigen.

Das Leben ist aber etwas Lebendiges.

 

1.2        Die Beispielwirksamkeit der Eltern

Es beginnt vielfach schon im Kindesalter, wenn Kinder am Beispiel ihrer Eltern sehen, wie sie sich bemühen vor den anderen „gut da-zu-stehen“ und auch sie dazu anleiten, den Schein zu wahren.

Immer wieder lesen Menschen in Zeitungen von menschlichen Tragödien, die sich ereignen. Dabei galt diese oder jene Familie als musterhaft, und keiner will geahnt haben, welche Not oft in materieller oder geistiger Hinsicht dahinter steht. Immer wieder schaffen es Menschen, aber auch ganze Familien, zu verbergen, was sich bei ihnen im Verborgenen abspielt. Nach außen wird die heile Welt vorgespielt, die Musterfamilie mit Mustervater, der idealen Mutter und den mustergültigen Kindern. In kleinen Gemeinden ist diese Tendenz noch stärker vorhanden. Der beschriebene Vorgang betrifft das Außen, die Hülle, den Schein anstelle des Seins.

Der innere Stand, das Rückgrat wird bei solchen Prozessen nicht gestärkt, es kommt zu Verzerrungen des Lebens, die sich in einer Haltungsschwäche äußern können.

Positiv wirkt sich eine Halt gebende Erziehung aus, die das Kind in den eigenen Grund verwurzelt.

 

1.3        Der gute Eindruck

Die größte Sorgfalt als Folge einer solchen Erziehung wird darauf verwendet, einen guten Eindruck zu machen. Die Oberfläche des Menschen, auch sein Antlitz, erstarrt, friert fest. Diese Mühe (eine große Leistung), dass der andere einen guten Eindruck bekommt, erzeugt an der Körper-Oberfläche sehr große Spannungen, so dass dafür sehr viele Betriebsstoffe zur Verfügung gestellt werden müssen.

Auf der Gefühls- und Gemütsebene entsteht bei dieser Haltung auf Dauer eine Einstellung, die die eigene Existenz ununterbrochen gefährdet sieht. Die Grundlegung dieser Gefühlslage geschieht in der Kindheit. Dem Kind wurde immer wieder vermittelt, erst durch seine entsprechenden Leistungen von seiner Umgebung angenommen zu sein. Leistung ist hier sehr umfassend zu verstehen, denn ein freundliches Gesicht zu zeigen, obwohl die Tränen schon im Halse stecken, bedeutet eine große Leistung.

Die größte Bedeutung im Leben besteht darin, meint es dann, wie es bei seiner Umgebung ankommt. Das Kind hat das Gefühl entwickelt, dass es erst durch die Anerkennung von anderen etwas wert ist und geliebt wird, weil es entweder so gescheit, so herzig, so brav, so „fromm“, so angepasst oder so tüchtig ist, was es dann im Leben ausbauen wird, um weiterhin „geliebt“ zu werden, und so den Zuwendungsfluss im Gang zu halten.

Folgende Struktur liegt dieser Einstellung zugrunde: „Ich muss grundsätzlich davon ausgehen, dass ich mir das Wohlwollen meiner Mitmenschen verdienen muss!“  Dieser  Mensch hat als Folge kein Gespür für den eigenen Wert entwickelt, und ist darauf angewiesen, sich seinen Wert von anderen zuschreiben zu lassen. Dadurch entfernt er sich immer mehr von seinem eigentlichen Wert, was ihn im Innersten unzufrieden und unsicher macht.

Es besteht nun die große Gefahr, dass der Mensch auch als Erwachsener bei den Verhaltensweisen bleibt, die er in der Kindheit eingelernt hat und die ihm das Überleben gesichert haben.

Das versteifte bzw. fixierte Denken ist die Folge.

 

1.4        Selbstverteidigung

Unter Umständen bemerkt er nicht einmal, dass er seinen Standpunkt gar nicht so verteidigen und vor den anderen den Schein „gut dazustehen“ wahren muss, da er selbst - als menschliches Wesen an sich - wertvoll ist. Diesen Grundwert kann ihm niemand geben, aber auch nicht nehmen, weil er ihn schon hat. Durch die Liebe eines Menschen, wenn ihm gesagt wird: „Es gibt Dich und das ist Grund genug, Dich zu lieben!“ gelingt es in hervorragender Weise, dass der Mensch voller Staunen seinen Grundwert zu verspüren bekommt und sich als wertvoll annehmen kann. Allerdings ist dieses Ereignis, das die eigene Existenz und das damit verbundene Erspüren des eigenen Wertes erleben lässt, welches von einem wunderbaren Gefühl begleitet ist, nicht alltäglich. Es lässt die eigene Existenz als ein Geschenk erleben und kann nicht erzwungen werden.

 

1.5        Das Urteil der anderen

Aus der eingeübten Haltung, dass es im Leben hauptsächlich auf das Urteil anderer ankommt, entsteht das Gefühl, dass das eigene Innere vor der Außenwelt verborgen werden müsse! Die aufgebaute äußere Hülle wird nach außen poliert, damit sie richtig glänzt. Es wird versucht, „im rechten Licht“ dazustehen, sich aufzupolieren. Nach innen wird diese Schutzschicht als bergende, hilfreiche Mauer gefühlt.

In einer solchen Situation fällt es besonders schwer, einen Standpunkt einzunehmen. Die eigene Einstellung kann nicht tragen, da sie entwertet im Bodensatz der empfundenen Minderwertigkeit versunken ist.

Damit entsteht der Bedarf, von außen eine Anleihe zu machen. Dabei wird ein Standpunkt bzw. ein Orientierungshorizont von jemandem übernommen, der nahe steht, bewundert wird, oder aus irgendwelchen anderen Gründen. Er wird förmlich übernommen, kopiert, ohne inneren Bezug.

Wird ein auf diese Art und Weise übernommener Standpunkt in Frage gestellt, besteht keine andere Möglichkeit, als ihn blind zu verteidigen. Es können keine Begründungen angeführt werden, da die tiefe Verankerung des Standpunktes im eigenen Wesensgrund fehlt.

Im Inneren des Menschen hat sich die Haltung festgesetzt, dass es auf den guten Eindruck ankommt, den der andere gewinnt. Je besser die gewählte Einstellung, Haltung oder Meinung beim anderen wirkt, umso lieber wird sie übernommen. Der Gradmesser besteht also ausschließlich in der Wirksamkeit auf die Umgebung, deren Urteil so wichtig ist, und nicht in der Begründbarkeit und Glaubwürdigkeit.

Vertraut der Betroffene auf die Wirksamkeit seines, seinem Empfinden nach, so interessanten und eindrucksvollen Standpunktes, mit dem er sich in Szene setzen will, ist er völlig „aus dem Häuschen“, wenn dieser in Frage gestellt wird. In Folge kommt es zu einer völlig übersteigerten und unangemessenen Verteidigung seines Standpunktes. In dieser Auseinandersetzung werden der Eindruck und die Wirkung, den der Standpunkt seiner Meinung nach zu haben hat, eingefordert. Es ist dem Betroffenen unverständlich, dass sich das Gegenüber nicht beeindrucken lässt. Das Bild, das ein anderer von ihm haben soll, gerät ins Wanken.

Die Wahl des Standpunktes nach seiner Wirkung hat fatale Folgen. Durch den Blick auf den Eindruck beim anderen kam es zu keiner Auseinandersetzung mit dem eigenen Standpunkt. Das erzeugt eine zusätzliche Not.

Es kommt zur Verteidigung eines Standpunktes, der völlig unangemessen ist, weder vertreten werden kann noch ins Leben angewandt. Es fehlt im Wesentlichen das eigene Gespür und Empfinden zu dem, was geäußert wird.

Der einmal eingenommene, fixierte Standpunkt, dass es nur auf die Wirkung beim anderen ankommt, diese verfestigte Einstellung, ist der Schlüssel für die Lösung der grundsätzlichen Fesselung des Menschen an das Urteil des Gegenübers.

Diese verfestigte Haltung entzieht der Person ununterbrochen den Zugang zum eigenen Leben (im Sinne von Spüren, Empfinden und Fühlen). In diesem „eigenen Leben“ kommt es doch im Wesentlichen auf das eigene „Gespür“ an, das es zu entfalten (entwickeln) gilt und das ist durch die oben aufgezeigte Haltung blockiert.

Wird die Fesselung gelockert, verliert der Zwang, im anderen mit allen Mitteln einen guten Eindruck über sich erzeugen zu müssen, seinen tyrannischen Druck. Damit kann der Innenraum allmählich an Bedeutung gewinnen. Die innere Bewegungsfreiheit nimmt zu, das Eigenleben gewinnt an Farbe und Konturen, es wird reicher. Die Fremdbestimmung nimmt ab, die Freude am Leben zu. Die nun frei werdenden Energien ermöglichen einen echten Austausch an Meinungen und Gefühlen.

 

1.6        Distanzierungsfähigkeit

(Abgrenzung – „nein“ sagen können)

So geht es darum zu lernen, dass der eigene Standpunkt seinen Wert hat. Er entstand, wenn er nicht missbraucht wurde, andere zu beeindrucken, als Lebenshintergrund und hat damit große Bedeutung. Aus ihm heraus kann das eigene Leben, das anderer und die Welt gedeutet werden, so weit das möglich ist. Er umfasst viele Inhalte, die im Laufe der Zeit von anderen übernommen, geprüft und schließlich für die eigene Welt als gültig eingebaut wurden.

Der eigene Standpunkt ist jedoch nicht allgemein-gültig.

Es ist eine wertvolle Haltung, von seinem eigenen Standpunkt weggehen zu können, um dadurch andere besser kennen zu lernen. Immer wieder ist dabei das Gefühl der eigenen Gefährdung zu überwinden. Mit der Zeit geht es dann immer leichter. Das ist der Weg zu einer immer größeren Flexibilität und Elastizität.

Verstärkt sich das Vertrauen, dass der Mensch bei Bedarf sich schützen und abgrenzen kann, steht die Energie, die dafür aufgewendet wird, zur Verfügung, wann immer sie benötigt wird, der jeweiligen Situation angemessen. Vor allem wird auch die Fähigkeit, sich zu schützen, dabei nicht vermindert. Immer wieder kann der Mensch in seine schützende Hülle zurückkehren. Sie soll nicht zerstört werden. Die Fähigkeit, sich zu schützen, ist für das Leben sehr wichtig. Es ist die Möglichkeit, sich abzugrenzen und bei sich zu bleiben, um neu die Kräfte zu sammeln.

Das Wort „verlassen“ hat eine doppelte Bedeutung, was in diesem Zusammenhang besonders deutlich wird. Je mehr sich ein Mensch auf sich verlassen kann, umso leichter kann er sich verlassen. Gemeint ist damit: Je stabiler jemand ist, je tiefer das Vertrauen in den eigenen Lebensgrund verankert ist, je weniger er sich von anderen gefährdet fühlt, umso mehr ist ihm der sichere Hort gewiss, in den er jederzeit zurückkehren kann. Von dieser Ausgangssituation bzw. Position her kann er von sich weggehen, auf anderes eingehen, ganz tief in fremden Welten versinken, um sie zu erfahren.[1]

 

1.7        Schutz

Man denke an den Hintergrund von: „dicke“ Haut – „dünne“ Haut

Verstärkt sich das Vertrauen in die Fähigkeit, sich abzugrenzen und zu schützen, besteht die Möglichkeit, auf Schutzmauern überhaupt zu verzichten. Somit steht die Energie, die für sie aufgewendet wurde, als Möglichkeit der Verhärtung bzw. Panzerung zur Verfügung, wann immer sie benötigt wird. Sie kann dann wieder aufgegeben werden, wenn sich die Situation entspannt und der Schutz nicht mehr Not-wendig ist. Diese Form des Schutzes hat dann den Vorteil, dass nicht mehr nur ein und dieselbe Schutzmauer zur Verfügung steht, sondern immer jene schützende Hülle ausgebildet wird, die der Situation angemessen ist. Auf der körperlichen Ebene wird dafür Calcium fluoratum benötigt. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, auch Möglichkeiten und Fähigkeiten zu entwickeln, auf die Menschen zuzugehen, damit die Auseinandersetzung „mit der Welt“ bestanden werden kann.

Es ist zu bedenken, dass sich jeder Vorgang im Menschen auf allen Ebenen, die ihn ausmachen, abbildet. Für den ganz natürlichen Verbrauch steht die Nahrung zur Verfügung. So sollten die Hinweise über den Verbrauch bestimmter Mineralstoffe als Erklärung verstanden werden.

Nur in krankhaften, extremen Reaktionsweisen werden unverhältnismäßig viele für die Situation spezifische Betriebsstoffe verbraucht. Das Leben ist auf Belastungen und Herausforderungen eingestellt und kann sich durchaus darauf abstimmen und damit umgehen.

Es ist sogar erstaunlich und bewundernswert, wie lange sich der Organismus auch auf unverhältnismäßige, krankhafte Belastungen einstellen und sie ausgleichen kann (Kompensationsleistung). Werden die Signale des Organismus, welche er in solchen Situationen gibt, wahrgenommen, kann oft Schlimmes verhindert werden.

Gelingt es dem Menschen, wie oben beschrieben, sich von einer starren Schutzmechanik bzw. Schutzmaschinerie in Richtung eines lebendigen Schutzverhaltens zu bewegen, wird der Wert der eigenen Existenz zugänglich und spürbar. Das Empfinden von der inneren Werthaftigkeit wächst und es entsteht ein Gefühl des Vertrauens in das eigene Leben. Je mehr dieses wächst, umso weniger Spannung entsteht im Körper und umso weniger werden die wertvollen Mineralstoffe für die verzerrte innere Haltung des „sich schützen Müssens“ verbraucht.

Die Leistung, die in diesem Zusammenhang auf der charakterlichen Ebene von einem Menschen aufgebracht werden muss, ist enorm.[2] Es ist eine harte Arbeit, die aber auf jeden Fall mit einem besseren Zugang zu sich selbst belohnt wird. Das anzustrebende innere Wohlbefinden lässt sich am besten mit dem aus der Existenzanalyse Viktor Frankls kommenden Satz beschreiben: „Ich bin, und dass ich bin, ist gut!“

Calcium fluoratum ist der Mineralstoff, der für den Schutz des Lebens sorgt.

Affirmation

Die befreiende Einstellung zu diesem Mineralstoff heißt: „Ich darf grundsätzlich davon ausgehen, dass mir der andere wohlgesonnen ist!“  (Sollte es ausnahmsweise nicht der Fall sein, habe ich die Fähigkeit, das zu spüren)



[1] Mit der Fähigkeit des Einfühlungsvermögens, bzw. der Empathie, wie sie im Fachausdruck heißt, hat sich in unserem Jahrhundert der Begründer der klientenzentrierten Therapiemethoden, Carl Rogers besonders ausführlich beschäftigt.

Rogers, Carl: Therapeut und Klient, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1983

[2] Empfehlenswerte Lektüre: „Die Arbeit am Charakter“, Fritz Künkel,  Friedrich Bahn Verlag, Konstanz