Der Schüßler-Spezialist

Die Heilweisen

 

Eine wichtige Überlegung führt uns zu der Frage, wie sich diese Mineralstoffe der Biochemie nach Dr. Schüßler mit anderen Heilweisen kombinieren lassen! Das führt uns zu allererst zur „Gegenüberstellung von Heilweisen“, denn aus den Schlüssen, die aus dieser Gegenüberstellung gezogen werden, ergeben sich auch Hinweise für die praktische Ausgestaltung in der Anwendung in dieser Heilweise!

Die herkömmliche medizinische Heilweise[1]

Die Medizin ist auf einer so phantastischen Stufe ihrer Entwicklung, dass eine Steigerung fast nicht mehr vorstellbar ist. In ihrem Bereich ist sie unübertrefflich. Sie bekämpft die Krankheit, was oft lebensrettend ist und auch dementsprechend gewürdigt gehört.

Bedenklich wird es nur, wenn sich die Medizin für „allmächtig“ erklärt bzw. ihre doch des Öfteren vorhandene Ohnmacht verleugnet. Es geht um ihre Einordnung in ein umfassendes Gebäude von der Begleitung und Betreuung des Menschen auf seinem Lebensweg.

Die übliche Auffassung der Menschen von der Medizin ist nämlich die, dass sie die Erscheinung von Problemen zu verhindern oder zu verdrängen hat. Es werden die Symptome weggedrängt, weggedrückt und die Schmerzen unterdrückt. Die Krankheit ist bei dieser Auffassung ein Feind des Menschen, die der Mediziner zu bekämpfen hat und der Patient sollte sich möglichst nicht einmischen, denn er versteht ja doch nichts davon.

Stefan Zweig hat diesen Sachverhalt in seinem Buch „Heilung durch den Geist“ folgendermaßen dargestellt: „Die wissenschaftliche Medizin betrachtet den Kranken und seine Krankheit als Objekt und weist ihm beinahe verächtlich die Rolle absoluter Passivität zu; er hat nichts zu fragen und nichts zu sagen, nichts zu tun als den Anforderungen des Arztes gehorsam und sogar gedankenlos zu folgen und sich selbst möglichst aus der Behandlung auszuschalten.“ [2]

Bei dieser Betrachtungsweise der Medizin und des Kranken beziehungsweise des Arztes sind die Medikamente die Kampfmittel gegen die Krankheit. Der Arzt ist der Fachmann, der Patient der Zuschauer und die Krankheit der Feind. Abgesehen vom wirklich notwendigen Einsatz verschiedener Medikamente, wird oft unnötigerweise viel zu scharf geschossen, nur damit eine Störung möglichst rasch beseitigt ist. Aber auch die Patienten sind hier bestimmend, denn sie wollen sich oft mit einem langen Prozess einer tatsächlichen Heilung nicht stellen.

Wie groß die Entfernung des Arztes zum Menschen schon geworden ist, schreibt sehr eindringlich und anschaulich Viktor Frankl in seinem Buch „Die Sinnfrage in der Psychotherapie“:

„Gewiss, dem Arzt liegt die Sachlichkeit, die ärztliche Einstellung zum Kranken ist notwendigerweise voll innerer Distanz. Denken wir doch nur daran, wie eine ärztliche Visite in einem Spital vor sich geht. Man hat jeweils nicht den Menschen, sondern den Fall vor Augen. Der Assistent, der den Chef bei der Visite führt, stellt ihm die Kranken vor als je einen Fall von dieser oder jener Krankheit. Im Allgemeinen neigt der Arzt auch dazu, die Krankheit zu behandeln, und nicht den Kranken, nicht den kranken Menschen. Und immer wieder hört man den Ausdruck das ist ein Fall von .... Bemerken Sie: das - also nicht der, nicht dieser Mensch da; weiter: ist, also nicht hat - also ist nicht die Rede von einer Krankheit, die dieser Mensch hat, sondern nur von dem Fall, der dieser Mensch ist; dann: ein Fall, also ein beliebiger, der bloße Repräsentant einer bestimmten Krankheit - oder vielleicht der Fall Nummer soundsoviel aus einer Reihe, genannt das Kranken-Material. Mit diesen Redewendungen, die sich unbewusst in den ärztlichen Jargon einschleichen, ist zur Genüge gekennzeichnet, wie tief und weit diese Distanzierungstendenz seitens des Arztes, dessen Verdinglichung von Menschen geht.“ [3]

Es wäre aber falsch ein Feindbild der Medizin gegenüber aufzubauen! Es ist tragisch, wenn Menschen zu spät zu einer notwendigen medizinischen Versorgung kommen, nur weil sie allzu lange auf Methoden und Möglichkeiten gebaut haben, die für ihr Problem nicht angemessen waren.[4] Wer allzu lang die Grundsäulen der Gesundheit missachtet hat, bei dem werden sanfte Methoden nicht mehr greifen.

Der Patient wird viel zu wenig auf seine Eigenverantwortlichkeit aufmerksam gemacht. Dadurch wird das Augenmerk kaum auf die Gesundheitsvorsorge gelenkt, für die jeder einzelne selbst zuständig ist. Dabei könnte aber so manche schwere Erkrankung schon in den Anfängen aufgefangen werden und viel Leid bliebe erspart.

Die klassische medizinische Heilweise ist auf jeden Fall angebracht, wenn sich der Mensch auf der körperlichen Ebene aus eigener Kraft nicht mehr zufriedenstellend organisieren kann. Solange das nicht der Fall ist, sind ausschließlich Beratung und Information über jene Maßnahmen zu geben, die der Patient für sich braucht, um mit den anstehenden Problemen aus sich heraus zurecht zu kommen. Es besteht nur eine hauchfeine Grenze zwischen Entmündigung, einer angemessenen Beratung bzw. Begleitung  und einer not-wendenden Behandlung.

Die Reizheilweise

Sie will mit einem Reiz die Selbstheilungskraft des Organismus herausfordern, so dass dieser aus sich heraus, aus eigener Kraft, mit der Krankheit zurechtkommt. Diese Heilweise ist wunderbar, wenn die Reize dem Menschen und dem Leiden entsprechend gesetzt werden und der Organismus fähig ist, auf die Reize zu antworten.

Bezüglich der Reize ist es unbedingt notwendig, das Arndt-Schulz´sche Reizgesetz zu kennen.

Es besagt, dass leichte Reize die Lebenskraft anfachen, mittlere Reize die Lebenskraft stärken, starke Reize die Lebenskraft schwächen und stärkste Reize die Lebenskraft lähmen. Berücksichtigt man diese Regeln, ist zu erkennen, wie falsch der Grundsatz ist: „Je stärker, je härter, je fester usw. umso besser.“

Es ist falsch, wenn beim Zubereiten von Tee ein Löffel auf eine Tasse gegeben wird; es ist falsch, wenn bei der Massage gesagt wird, es müsse so richtig weh tun; es ist falsch, wenn bei der Elektrotherapie so weit aufgedreht wird, dass man es gerade noch aushält;  es ist auf allen medizinischen Gebieten falsch, wenn es lediglich darum geht, eine Störung möglichst rasch zu beseitigen, ohne der Ursache auf den Grund zu gehen.

Jene Ärzte sind zu bewundern, die beispielsweise das Fieber nicht mehr unterdrücken, sondern es langsam abklingen lassen, sofern es verantwortbar ist, oder auch Schmerzen nicht sofort unterdrücken - sie sind ja ein Hilfeschrei des Körpers und für die Diagnose oft wichtig.

Wird der Organismus mit Reizen konfrontiert oder belastet, mit welchen immer, muss berücksichtigt werden, dass Betriebsstoffe benötigt und verbraucht werden. Das muss auch im Hinblick auf unsere Reizgesellschaft gesehen werden, in der die Überflutung so stark ist, dass immer öfter Abstumpfung die Antwort darauf ist. Das ist nichts anderes, als die vierte Stufe vom Reizgesetz, also die Lähmung.

Durch die starken und vielen Reize wird die Lebenskraft gelähmt. Die Umwelt kann oft nur mehr sehr schwer wahrgenommen werden, die Verbindung zur Außenwelt wird immer dünner, und der Mensch richtet sich immer mehr auf sich selbst aus, was zur Vereinzelung (Vereinsamung) führt. Das ist übrigens ein enorm wichtiger Gesichtspunkt, der bei Nr. 12 Calcium sulfuricum zum Tragen kommt.

(Es erhebt sich die Frage, ob in diesem Falle eine Reizheilweise überhaupt noch angebracht ist!)

Es ist wie bei einer Schnecke. Zuerst zieht sie ihre Fühler zurück, im ersten Erschrecken eines zu starken Reizes, dann zieht sie sich in ihr Haus zurück. Die Kontakte nach außen sind damit abgebrochen. Auch noch so sensible Bemühungen prallen dann am Panzer, dem Gehäuse ab. In der Zeit des Zurückgezogen Seins gibt es für die äußere Welt, die Umgebung, nur die Möglichkeit des Wartens, bis das Wesen von innen her wieder die Kraft und das Vertrauen bekommt, nach außen zu treten. Die Schale schützt die Schnecke, hindert sie aber auch zugleich, so ohne weiteres wieder aus sich heraustreten zu können.

Um aber auf Reize antworten zu können, muss der Betrieb des Organismus in Ordnung sein, das heißt auch, er muss genügend Betriebsstoffe zur Verfügung haben. Die Betriebsstoffe sind die Mineralstoffe. Es gibt überhaupt keinen Vorgang im Körper, der nicht Betriebsstoffe also Mineralstoffe verbraucht, wie auch schon an anderer Stelle betont wurde.

Wenn also durch Tee trinken (nicht jeder Tee ist ein Reiz), Phytotherapie[5], Homöopathie, Duftstoffe, Nosoden oder was immer an Reizen[6] oder Reizstoffen an den Körper heran beziehungsweise in den Körper hinein gebracht wird, dann muss dieser auf den Reiz antworten, er muss seinen Betrieb in Gang setzen, was nur so lange möglich ist, so lange Betriebsstoffe zur Verfügung stehen. Ist das nicht mehr der Fall, versucht der Organismus den Reizen aus dem Weg zu gehen, wie das bei vielen Menschen der Fall ist, wie in der Fußnote ausgeführt, die sagen, dass sie keine Sonne mehr vertragen.

Auf viele Reize kann der Organismus auch nicht mehr antworten, obwohl sie ihm in Form von Arzneimitteln zugeführt werden. Ein homöopathischer Arzt hat das Problem der fehlenden Betriebsstoffe einmal so formuliert: „Die Homöopathie will etwas bewegen, aber manchmal lässt sich nichts mehr bewegen.“

(Therapieblockade! Beispiel vom müden klapprigen Gaul, der den aufputschenden Peitschenschlag nicht mehr spürt, sondern abgestumpft weitertrottet.)

Die Versorgung mit den notwendigen Betriebsstoffen ist dann die einzig mögliche, weil angemessene Antwort auf die Unfähigkeit des Organismus, auf Reize zu antworten.

Die physiologische[7] Heilweise

ist eine körpergerechte, den Anforderungen des Organismus gerecht werdende Heilweise.

Sie ist eine Heilweise, die grundsätzlich die Not, das Defizit des Menschen im Blickfeld hat. Von dieser Not aus, nämlich dem zugrunde liegenden Mangel, werden dann die Interventionen gewählt.

-          Es kann durchaus erforderlich sein, dass jemand eine längere Zeit der Erholung benötigt, weil er zu lange nicht ausgespannt hat.

-          Leidet jemand an Unterkühlung, braucht er keinen Reiz, um Wärme zu produzieren; das ist ihm nicht möglich. Er benötigt dringend Zufuhr von Wärme,

-          Bei Energiemangel kann es einfach notwendig sein, Energie zuzuführen; auf welche Art immer, aber auf jeden Fall verantwortungsvoll. Bei einem Zuviel, einer Überladung braucht der Mensch eine Entladung der überschüssigen Energie.

-          Wenn die Energie in kräfteraubende Strukturen investiert wird, kommt es zu großer Erschöpfung. Hier ist es angebracht, auf die Fixierungen und zwanghaften Strukturen hinzuweisen und wie mit ihnen umgegangen werden kann. Es fehlt Information, wie das geht. Das ist kein Reiz, sondern eine notwendige Versorgung auf der richtigen Ebene.

-          Wenn Menschen an großer Einsamkeit leiden, dann brauchen sie sicher kein Beruhigungsmittel, sondern Gespräche und auch Anleitungen, Hilfestellungen dafür, wie man Beziehungen knüpft, wie es möglich ist, Gemeinschaften zu finden und Berührungsängste abzubauen.

-          Entwickelt jemand durch extreme, einseitige Charaktereigenschaften einen großen Mangel an bestimmten Mineralstoffen, sollte er auch an diesen Strukturen arbeiten und nicht nur die Mineralstoffspeicher auffüllen.

-          Umgekehrt, sollte jemand durch einen Mangel an einem bestimmten Mineralstoff intensive, belastende Gefühle erleiden, so ist es notwendig die Mängel aufzufüllen und nicht unnötigerweise nach scheinbar damit verbundenen belastenden, krankhaften Charakterstrukturen zu suchen. (Somatopsychologie)

-          Manchmal ist es auch notwendig eine Ortsveränderung durchzuführen, wenn jemand durch eine allzu lange Nebelphase an einer Depression erkrankt. Für ihn ist das Sonnenlicht mit all seiner Farbenfülle dann die Not-wendende Versorgung.

-          Die Biochemie nach Dr. Schüßler ist von ihrem Wesen her eine reine physiologische Heilweise, da sie die Mängel auffüllt. Bei einem Mangel werden die entsprechenden Mineralstoffe aufgefüllt und erst nachher nach weiteren tieferen Ursachen geforscht.

Die Biochemie nach Dr. Schüßler ist physiologisch, weil die einzelnen Salze (Mineralstoffkombinationen) dem Körper nicht fremd sind, sondern er sie selbst permanent in jeder Zelle, im Gewebe und in den Flüssigkeiten enthält.

Da immer auf das geschaut wird, was dem Organismus fehlt, oder wessen er bedarf, können als Antwort nur dem Körper und seinen Anforderungen gerecht werdende Maßnahmen ergriffen werden. Alles, was nicht dem Körper entspricht, also als heterogen bezeichnet wird, dem Körper fremd ist, hat in dieser Heilweise keinen Platz.

Dr. Schüßler schreibt in der „Abgekürzten Therapie“ [8]:

„Die Biochemie erreicht direkt ihr Ziel: Deckung eines Deficits; die anderen Heilmethoden, welche Mittel anwenden, die den, den menschlichen Organismus konstituierenden Stoffen heterogen[9] sind, erreichen das Ziel indirekt.“

Die physiologische Heilweise wird in ihren Bemühungen ausschließlich homogene, dem Körper gleichartige Wirkstoffe verwenden bzw. dem Körper adäquate (angemessene).

Da aber die Physiologie auch die Wissenschaft von den Grundlagen des allgemeinen Lebensgeschehens ist, erfasst die physiologische Heilweise alle Ebenen des Menschen mit all den entsprechenden Bedürfnissen.

Die Substitutionsheilweise[10]

Die Substitutionsheilweise ist bemüht, dem Organismus zur Verfügung zu stellen, was er braucht. Substitution heißt Ersatz und in unserem Sinne wird der Mangel durch die Auffüllung bzw. Deckung ersetzt.

Sie entspricht von ihrem Wesen her nicht mehr der Leistungsgesellschaft. Es ist nichts zu leisten, damit sich die Gesundheit wieder herstellt.

Es wird versorgt, bis Leistung wieder möglich ist. Leistung meint hier auch die Regenerations- und Entschlackungsarbeit, denn auch zu dieser „Leistung“ ist dann der Organismus nicht mehr fähig. Wenn der Organismus mit genügend Entgiftungs- und Entschlackungsstoffen[11] versorgt wird, kann er diese Bereiche wieder durchführen, wodurch sich der Körper in Richtung Heilung und Gesundheit bewegt.

Es wird in der Schüßler’schen Heilweise ein Aufbau von innen her angestrebt, eine Stärkung des Organismus, damit dieser von sich aus befähigt ist, mit dem normalen Betrieb, aber auch mit Belastungen, Schwierigkeiten und Problemen wieder besser zurecht zu kommen, damit er sich optimal organisieren kann. Damit passt sie genau in die Beschreibung der Substitutionsheilweise.

Sehr gut passt in diesem Zusammenhang der Satz: „Du sollst nicht den anderen ihre Lasten abnehmen, denn dann bist du schnell überfordert. Du sollst dich bemühen, dass die Menschen wieder fähig sind, ihre Lasten besser zu tragen, beziehungsweise wieder besser damit umgehen können.“

Ein kleines Problem, das sonst keine Mühe macht, es zu bewältigen, solange es einem gut geht, wird zur unüberwindbaren Hürde, wenn der Lebensmut, und die Kraft zu leben, auf ein Minimum geschrumpft sind. Ebenso ist es auch bei gesundheitlichen Belastungen. Je schwächer der Körper ist, umso eher schlagen gesundheitliche Belastungen in Form von Krankheiten durch. Daher kann es nicht um die Bekämpfung von Krankheiten gehen, sondern nur um die Stärkung des Organismus. Dieser kommt von sich aus dann mit den Belastungen wieder zurecht, wenn er nicht zu stark geschädigt ist.

Die Biochemie nach Dr. Schüßler im Hinblick auf die Substitutionsheilweise

Wenn der Organismus Mängel erleidet, und diese vor allem innerhalb der Zelle, dann kommt es zu Betriebsstörungen, die wir als Krankheiten bezeichnen. Auf diese Erkenntnis hat Schüßler, wie schon erwähnt wurde, mit dem bekannten Satz geantwortet:

„Dann muss die Gesundheit der Zelle und damit des Körpers entstehen durch Deckung des Verlustes.“

Schüßler wusste aber als Arzt, dass die Mineralstoffe, wenn sie pur gegeben werden, für den Körper eine Belastung darstellen können. Das wissen wir, wenn wir an die Nebenwirkungen der üblichen Eisenpräparate oder Kalziummittel denken, wenn sie zu lange und unkontrolliert genommen werden

Dr. Schüßler hat auf diesen Tatbestand, wie schon mehrfach aufgezeigt, hingewiesen:

„Um Schaden zu verhüten und um die Mittel aufnahmefähig für die Zelle zu machen, müssen dieselben (Mineralstoffe) verdünnt werden!“[12]

Er lässt also die Mineralstoffe so verdünnen, dass sie auch durch die winzigen Ionenkanäle der Zellen hindurch können. Dazu gibt es ganz neue Forschungen, dass der Austausch von Mineralstoffen zwischen der Zelle und der sie umgebenden Flüssigkeit nur im Molekularbereich möglich ist. Wenn die Mineralstoffe so weit verdünnt sind, dass die Moleküle einzeln vorhanden sind und dazu noch in einer Zusammensetzung, in der sie der Körper braucht, gehen sie sofort in die Zellen ein oder werden in die Speicher eingelagert. Durch die Verdünnung besteht dann auch keine Gefahr mehr, dass zu viel genommen wird.

Bei der Homöopathie geht es darum, Ähnliches mit Ähnlichem zu heilen. Eine Krankheit wird durch Gaben potenzierter Mittel behandelt, die von sich aus ähnliche Reaktionen im Körper hervorrufen, wie die zu behandelnde Krankheit selbst.

Zur Abgrenzung gegen die Homöopathie beschreibt Schüßler in einer der Schriften das Wesen seiner Biochemie: „Ist in irgendeinem Körperteile ein Defizit an Molekülen eines der erwähnten 12 Mineralstoffe entstanden, so entwickelt sich eine Krankheit, deren Heilung sich in dem Maße vollzieht, wie mittels Zufuhr an homogenen Molekülen jenes Defizit gedeckt wird. Da das Defizit ein molekulares ist, so muss der Ersatz ebenfalls ein molekularer sein.

Die durch die Verdünnung frei gewordenen Moleküle der therapeutisch angewandten Mineralstoffe gelangen auf dem schnellsten Wege, dem der Diffusion, nach ihrem Bestimmungsorte. Die Bewegung der Moleküle vollzieht sich umso schneller, je weniger Moleküle in der Verdünnungsflüssigkeit enthalten sind. Die Zahl der Moleküle der zu therapeutischen Zwecken anzuwendenden Mineralstoffe muss aber groß genug sein, um den zur Deckung des Defizits erforderlichen Ersatz zu liefern.“

Ergänzend ist hier anzufügen, dass es auch Krankheiten gibt, die nicht durch Mängel an Betriebsstoffen entstehen und deshalb auch nicht mit Mineralstoffen nach Dr. Schüßler beeinflusst werden können, daher andere Maßnahmen erfordern.

Aus den Überlegungen zur physiologischen Heilweise geht natürlich von selbst die Erkenntnis hervor, dass diese als Unterstützung aller anderen Behandlungsweisen besonders gut geeignet ist. Es lässt sich leicht erkennen, dass die Substitutionsheilweise den Erfolg der anderen Heilweisen unterstützt, ja dass die Versorgung des Organismus mit den entsprechenden Mineralstoffen manchmal sogar die Voraussetzung für die Möglichkeit von Interventionen, von Behandlungen im Körper überhaupt ist.

Wenn an den Körper Gifte, chemische Stoffe oder Reize, auch Heilungsreize sind damit gemeint, herangebracht werden, muss er sich darauf einstellen und darauf antworten, was einen verstärkten Betrieb zur Folge hat. Dazu braucht er in einem sehr großen Ausmaß Mineralstoffe, die ihm durch die Mineralstoffe nach Dr. Schüßler zur Verfügung gestellt werden.

Wenn der homöopathische Arzt formuliert hat: „Die Homöopathie möchte etwas bewegen, und manchmal lässt sich einfach nichts mehr bewegen.“, dann kann man als Anhänger der Substitutionsheilweise formulieren:Vorrang hat das Bemühen, dass sich etwas bewegen lässt.“

Wünschenswert wäre eine integrierende und ergänzende Medizin, die allen Heilweisen ihren Platz lässt und den Patienten und seine Gesundheit ins Zentrum des Bemühens stellt.

Dr. med. J. Schneider schreibt 1920 in seinem Buch „Biochemischer Hausarzt“ dazu folgendes:

„Es findet ein beständiger Stoffwechsel im Körper statt. Durch die Ernährung kommt neues Ernährungsmaterial in den Körper, und die Exkrete führen unbrauchbare und zerstörte alte Zellen fort. Ununterbrochen findet Aufbau und Zerfall im Körper statt. Bei Krankheiten versuchen die Zellen das Übel spontan zu heilen, sie arbeiten stärker als in gesunden Tagen (daher oft Fieber!) und geben sich alle Mühe, des Feindes Herr zu werden. Die verstärkte Arbeit hat nach Dr. Schüßler zur Folge, dass die Zellen einen Teil ihrer mineralischen Stoffe, die zu ihrer Funktion so notwendig sind, verlieren und somit widerstandsunfähiger, schwächer, mit anderen Worten krank werden. Gibt man nun den Zellen diese anorganischen Stoffe, welche sie im Kampfe mit der Krankheit verloren haben, wieder, so werden dieselben wieder gesunden und die Krankheit wird behoben werden.

Dieses ist der Grundgedanke der biochemischen Heilmethode nach Dr. Schüßler und er hat dieselbe anfangs auch nicht als homöopathische bezeichnet, weil die Mittelwahl nicht nach dem Ähnlichkeitsprinzip erfolgt, sondern nach physiologisch-biologischen Gesetzen, weil sie nicht indirekt durch heterogene Mittel die Heilung erstrebt, sondern direkt ihr Ziel erreicht durch Deckung eines Defizits.

Aber gemeinsam mit der Homöopathie hat die biochemische Methode die Verabreichung der Gaben in sehr kleiner Dosis.“[13]

Auch Wilhelm Scharff zitiert in seinem Buch „Alphabetisches Repertorium zu Dr. Schüßler’s Abgekürzte Therapie“. dessen erste Auflage 1899 beim selben Verlag erschien, bei dem auch Dr. Schüßler seine Schriften veröffentlichte, nämlich der Schulzeschen Hof-Buchdruckerei und Verlagsbuchhandlung, Dr. Schüßler ausdrücklich:

„Die Biochemie bezweckt also die Korrektion (Richtigstellung) der von der Norm abgewichenen physiologischen Chemie (Chemie der natürlichen Lebenserscheinungen). Sie erreicht ihr Ziel: Deckung des Defizits, direkt (unmittelbar); die anderen Heilmethoden, welche Mittel anwenden, die den menschlichen Organismus konstituierenden (bildenden) Stoffen heterogen (ungleichartig) sind, erreichen ihr Ziel indirekt (auf Umwegen, mittelbar).

Die biochemischen Mittel, nach richtiger Wahl angewendet, genügen zur Heilung aller durch innerliche Mittel heilbaren Krankheiten.“

Scharff bringt hier folgende Anmerkung: „Ein Defizit der anorganischen Stoffe an den betreffenden Stellen des menschlichen Organismus bedingt also nach Schüßler eine Funktionsstörung, d.h. die verschiedenen Krankheitszustände desselben; die Ausgleichung dieses Defizits durch Zufuhr der fehlenden anorganischen Salze bewirkt ihre Heilung und dadurch Wiederherstellung der Gesundheit.“[14]

Die integrierende Heilweise

Ein Ausblick auf neue Möglichkeiten, die dem ratsuchenden Menschen zur Verfügung gestellt werden könnten.

Dem Menschen ist es nicht möglich, das ganze Wissen, welches für eine Gesunderhaltung notwendig ist, immer zur Verfügung zu haben. Dabei handelt es sich nicht nur um ein Wissen allein über den Körper, sondern wie schon in der Einleitung aufgezeigt, über alle Ebenen, welche den Menschen ausmachen, eben den Menschen als Ganzes.

Die integrierende Heilweise geht davon aus, dass Unwissenheit über das Leben und seine Grundlagen, sowie über die Bedingungen für eine Gesunderhaltung auf Dauer zu Engstellen, Problemen, Krisen oder sogar Erkrankungen führen kann.

Verharrt der Mensch zu lange auf einem Standort, wenn sich also das Leben von ihm wegbewegt, wenn es weitergeht und der Mensch bleibt zurück, kann er auf die anstehenden Probleme keine angemessenen Antworten geben. Diese beanspruchen, weil sie den Anforderungen des Hier und Jetzt entspringen, eine lebendige Einstellung zum Leben. Ist ihm das nicht möglich, dann gibt er Antworten, die seiner Beharrung oder gar Erstarrung entspringen, nicht jedoch sein Leben fördern. Versucht er auf die Fragen, welche ihm das Leben stellt, mit alten Antworten, welche früher einmal gut waren, zu antworten, steht er daneben. Er ist aus dem Fluss des Lebens, seines Lebens herausgefallen, was letztendlich zu großen Problemen führt.

Der Fluss des Lebens verlangt immer wieder eine Neuorientierung. Der Mensch ist dann mit seinen ihm durch seine Entwicklung und sein Alter zugewachsenen Möglichkeiten im Stande, Antworten auf die Fragen zu geben, die ihm das Leben stellt.

Die integrierende Heilweise geht davon aus, dass dem Menschen in seinen Problemen die entsprechenden Informationen fehlen. Dadurch kann er seine Schwierigkeiten nicht entsprechend bearbeiten und lösen, damit er sich wieder im Fluss des Lebens bewegen kann.

In der genannten Heilweise geht der Begleiter davon aus, dass der Klient, der Suchende, die gegebenen Informationen, welche ihm vermittelt werden, unmittelbar in seine Selbstorganisation einbaut und aus dieser Erweiterung seiner Sichtweise, seines Lebenskreises, sein Problem bearbeiten und damit lösen kann. Eine Vorbedingung für die Wirksamkeit aller Beratungen ist grundsätzlich der Aufbau eines gewissen Vertrauens, durch das der Ratsuchende ermutigt wird, die angebotenen Möglichkeiten auch zu verwirklichen.[15]

Oft ist es notwendig, den Suchenden auf seine Fragen, die ihn bewegen, hinzuführen. Er weiß oft gar nicht, welche Fragen sich für sein Leben überhaupt stellen. In einer behutsamen Arbeit kann der Klient seine Probleme erkennen, die dazu passenden Fragestellungen erarbeiten und dann entsprechende Aufklärung über seine Problematik begehren. Es nützt dem Ratsuchenden gar nichts, wenn der Berater, Begleiter oder Therapeut ihm Antworten auf Fragen gibt, die er gar nicht hat. Alles, was sich nicht in diesem Feld bewegt, ist für den Hilfesuchenden umsonst.

In der integrierenden Heilweise besteht die Kunst darin festzustellen, wo der Informationsmangel liegt, wo sich die Engstelle in der Organisationsfähigkeit des Menschen befindet und darüber aufzuklären. Die beschriebene Heilweise geht von der Urhaltung des Menschen aus, dass er an seinem eigenen Leben grundsätzlich interessiert ist. Sie befähigt den Hilfesuchenden aus eigenem Können die anstehenden Probleme zu bewältigen. Wahrscheinlich sind jedoch nicht alle Menschen zu einer solchen Haltung bereit oder gar fähig, so dass das Augenmerk in der Begleitung von Menschen immer mehr darauf gerichtet sein sollte.

Die integrierende Heilweise ist bemüht, dem Menschen das Modul, den Baustein, die Information zu geben, die gerade ansteht. Diese kann er in sein System integrieren, weil es Nahtstellen, Anschlussstellen gibt. Sie vertraut auf das grundsätzliche Wollen des Menschen in einer immer freieren Art und Weise sein Leben bewältigen zu wollen.

Entscheidend ist die Kunst, zum richtigen Zeitpunkt genau den richtigen Baustein anzubieten, damit die Engstelle beim Rat-Suchenden erkennbar und bewältigbar wird. Die genannte Heilweise hat ihre Grenzen in der Kompetenz, was Krankheiten anlangt, für die ein Laie nicht zuständig sein kann. Allerdings werden sich wahrscheinlich bei einem Menschen, der auf die beschriebene Art und Weise immer an der Nahtstelle der Entwicklung seines Lebens sich bewegt, sich wahrscheinlich überhaupt keine gröberen gesundheitlichen Probleme aufstauen.

Die genannte Heilweise geht davon aus, dass der Mensch die für seinen Entwicklungsstand erforderlichen Kenntnisse bekommt. Dadurch entsteht kein Rückstau an Entwicklungserfordernissen und er ist immer sehr nahe auf der Höhe seiner Entwicklungsmöglichkeiten.

Die integrierende Heilweise hat mit der Entwicklung des Menschen sehr viel zu tun. Einige Sprichwörter verdeutlichen diesen Zusammenhang, wie z.B.: „Wer nicht hören will, muss fühlen.“

Aus dem chinesischen Bereich stammt ein weiser Spruch über das Lernen bei Erwachsenen: „Lernen durch Nachahmung ist der einfachste, aber auch der simpelste und mit der Zeit unbefriedigende Weg, etwas zu lernen. Lernen durch Erfahrung ist der bitterste. Lernen durch Nachdenken, Überlegung, Besinnung und Meditation der edelste.“ Es wird immer wieder zu einer Mischung der drei Wege kommen, aber letztlich sollte der dritte Weg das Ziel werden.

Grundsätzlich hat die genannte Heilweise etwas mit der Frage nach der Lebendigkeit des Menschen zu tun.


 

[1] Feichtinger, Niedan Feichtinger: Handbuch der Biochemie nach Dr. Schüßler, Stuttgart: Haug Verlag, 4. Auflage, S77ff

[2] Zweig, Stefan: Die Heilung durch den Geist, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1983, S 19

[3] Frankl, Viktor: Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn, München: Piper & Co. Verlag, 1979, 10. Auflage 1995, Seite 113

[4] Ich unterscheide hier in einem Wortspiel immer wieder zwischen alternativen und alternaiven Menschen!

[5] Wissenschaft von der Heilbehandlung mit pflanzlichen Substanzen.

[6] Ein besonders starker Reiz sind die Sonnenstrahlen für den Organismus. Wenn sich jemand in die Sonne legt, muss der Organismus ebenso viel leisten, um den Reiz auszugleichen, wie bei der Tätigkeit des Holzhackens. Es ist dies eine der schwersten Arbeiten und der Vergleich zeigt auf, welche enormen Aufwendungen der Organismus zu tätigen hat, mit den anfallenden Belastungen zurecht zu kommen. Es muss die Wärme reguliert werden. Die Oberhaut muss verstärkt werden, indem ein stärkerer Filter aufgebaut wird, was wir als Bräunung verstehen. Der Stoffwechsel wird enorm beschleunigt, das Herz schlägt schneller und unter Umständen steigt sogar die Körpertemperatur. Für die Besorgung dieser Vorgänge wendet der Organismus enorm viele Mineralstoffe auf, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Hauptsächlich wird während der akuten Belastung extrem viel Nr. 3 Ferrum phosphoricum für die anfallenden Transporte und die Sauerstoffversorgung verbraucht. Hat jemand einen größeren Mangel an diesem Mineralstoff, kann er es sich nicht mehr leisten (Der Körper kann den Ausgleich der Belastung nicht mehr  l e i s t e n), in der Sonne zu liegen. Er wird die direkte Sonneneinstrahlung meiden und behaupten: „Ich vertrage die Sonne nicht mehr.“ Er weist damit indirekt auf den Mangel hin.

[7] Physiologisch: die Lebensvorgänge im Körper betreffend

[8] Schüßler, Abgekürzte Heilweise, 31. Auflage, 1904, Seite 9

[9] anders geartet, ungleichartig, fremdstoffig (DUDEN, Die deutsche Rechtschreibung)

[10] Kurt Hickethier bezeichnet diese Heilweise als die „Befriedigungsheilweise“, worauf noch in einem späteren Kapitel eingegangen wird.

[11] Ein gutes Bild für die Schüßler Salze ist die Formulierung „Werkzeuge“.

[12] Dieser Satz ist eine der zentralen Aussagen Dr. Schüßlers und wird an den entsprechenden Stellen immer wieder gebracht, um den Tatbestand besonders zu unterstreichen.

[13] Schneider, Dr. Med. J.: Biochemischer Hausarzt, Leipzig: Verlag Dr. Willmar Schwabe, 1920, Dritte, unveränderte Auflage, Seite 5

[14] Scharff, Wilhelm: Alphabetisches Repertorium zu Schüßler’s „Abgekürzte Therapie“,

Oldenburg und Leipzig: Schulzesche Hof-Buchdruckerei und Verlagsbuchhandlung, 1899, 10. Auflage 1922, Seite 2f

[15] Dazu Konrad Lorenz: „Gesagt ist nicht gehört, gehört ist nicht verstanden. Verstanden ist nicht einverstanden. Einverstanden ist nicht durchgeführt. Durchgeführt ist nicht beibehalten.“